Prozessüberwachung in der Fertigung mit Grafana

Prozessüberwachung in der Fertigung mit Grafana

Florian Zobel

Florian Zobel

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14.04.2023

14.04.2023

|

Tech

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7

7

Minuten Lesezeit

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Key Take Aways

  • Durch eine zuverlässige Prozessüberwachung in Fertigungsprozessen lassen sich Kosten für Stillstände und Produktionsfehler deutlich verringern

  • Live-Dashboards auf Bildschirmen in der Werkhalle sind dank Ihrer Sichtbarkeit ein erprobtes Mittel zur Reduzierung von Reaktionszeiten bei Störungen und Unregelmäßigkeiten

  • Herausforderungen bei der Implementierung von Live-Dashboards sind:

    • die Bereitstellung von Echtzeitdaten verschiedenster Datenquellen

    • die flexible Gestaltung der Dashboards nach den Anforderungen verschiedener Nutzergruppen

  • Das Visualisierungs-Tool Grafana in Kombination mit der ENLYZE Datenplattform bietet eine komplette Infrastruktur für die Live-Dashboard Erstellung

    • von der Anlagensteuerung bis zum TV-Bildschirm

    • geringer IT Aufwand für die Werks-IT

    • Dashboards können individuell durch die Nutzer selbst erstellt und iterativ verbessert werden

Wozu Prozessüberwachung?

Die Prozessüberwachung ist ein unverzichtbarer Teil moderner Fertigungsprozesse, denn sie dient dazu, einen sicheren, zuverlässigen, effizienten und wirtschaftlichen Betrieb der Fertigung zu gewährleisten. Die Überwachung des Produktionsprozesses ermöglicht es Unternehmen, auftretende Probleme rechtzeitig zu erkennen und zu beheben, wodurch kostspielige Produktionsfehler vermieden und Abfälle reduziert werden.

Darüber hinaus kann die Prozessüberwachung auch wertvolle Daten liefern, die zur Verbesserung der Fertigungsprozesse und zur Steigerung der Effizienz genutzt werden können. Durch die Analyse von Produktionsdaten können Hersteller verbesserungswürdige Bereiche identifizieren und Anpassungen vornehmen, um ihren Betrieb zu optimieren.

Möglichkeiten der Prozessüberwachung

In kontinuierlichen Fertigungsprozessen regelt die Steuerung (SPS) der Fertigungsanlage die wichtigsten Prozessgrößen auf einen konstanten Sollwert. Störungen und Defekte können jedoch die automatische Regelung beeinträchtigen, ebenso externe Faktoren wie das Hallenklima, die eingesetzten Rohmaterialien oder auch Bedienfehler durch Mitarbeiter. Daher ist es trotzdem erforderlich, die Ist-Werte in Fertigungsprozessen kontinuierlich zu überwachen.

Es gibt verschiedene Methoden zur Prozessüberwachung, die sich unter anderem durch den Ort der Überwachung differenzieren lassen.

Werte direkt an Messstelle ablesen

An alten Fertigungsanlagen sind neben einer SPS oft noch analoge Messgeräte verbaut, wie z.B. Manometer zur Druckmessung wie in der Abbildung. Bei solchen Messinstrumenten wird der gemessene Wert in keiner Weise elektronisch verarbeitet, sondern auf einer analogen Skala direkt an der Messstelle angezeigt.

Ähnliche Situationen liegen häufig auch bei moderneren, nachträglich installierten Messsystemen vor. Dort werden Messwerte zwar digital erfasst und verarbeitet, lassen sich jedoch nur innerhalb der herstellereigenen Software anzeigen.

Beiden Fällen ist gemein, dass neben dem analogen Instrument oder dem zugekauften Messsystem meist noch weitere Anzeigen an der Fertigungslinie existieren, die kritische Prozessgrößen messen. Dadurch können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Störungen erst dann erkennen, wenn sie auf diejenige Anzeige schauen, die den auffälligen Messwert anzeigt. Die Folge sind verlängerte Reaktionszeiten bis zum Ergreifen von Gegenmaßnahmen.

Unentdeckte Störungen haben das Potenzial dazu, erhebliche Schäden zu verursachen. Diese reichen von vermehrtem Fertigungsausschuss und Nacharbeit bis hin zu ungeplanten Stillständen oder gar der Beeinträchtigung der Arbeits- und Umweltsicherheit.

Werte an Anlagen-HMI ablesen

Moderne Fertigungsanlagen verfügen über ein oder mehrere Human-Machine-Interfaces (kurz: HMI), meist in Form eines Bildschirms mit Tastatur, über den die Sollwerte für den Prozess eingestellt werden. Außerdem werden an der HMI auch die aktuellen Ist-Werte dieser Prozessparameter sowie Störungen angezeigt.

Die Prozessüberwachung mithilfe der vorhandenen Anlagen-HMI bietet einige Vorteile im Vergleich zum Ablesen an der Messstelle. Durch die direkte Gegenüberstellung von Soll-Werten und Ist-Werten können Abweichungen schnell erkannt werden. Außerdem kann der Prozess bei Bedarf direkt an der HMI angepasst oder sogar angehalten werden, wenn eine Störung dies erfordert.

Allerdings gibt es auch Nachteile, wenn man zur Prozessüberwachung lediglich die HMIs der Anlagen verwendet. Denn HMIs sind in erster Linie gar nicht zur kontinuierlichen Überwachung gedacht, sondern zur Bedienung der Anlage. Dementsprechend ist die HMI-Benutzeroberfläche gestaltet. Die eingestellten Parameter werden angezeigt, jedoch nicht zwingend auf einen Blick alle Prozessgrößen, die für eine Überwachung relevant sind. Auch eine Anpassung an verschiedene Nutzergruppen und deren Anforderungen ist nicht vorgesehen.

Weiterhin ist die geringe Sichtbarkeit von HMI Bildschirmen problematisch. Durch ihre Größe und Platzierung können der Bildschirm und die Prozessgrößen nur von einer Personen wahrgenommen werden, die direkt davor steht. Durch fehlende Möglichkeiten zur Prozessdatenspeicherung können Anomalien auch nur in dem Moment des Auftretens und nicht mehr nachträglich entdeckt werden.

Live-Dashboards auf Bildschirmen in der Werkhalle

Eine neuerer Ansatz zur Überwachung von Fertigungsprozessen besteht darin, Prozessgrößen in Echtzeit auf Dashboards zu visualisieren. Diese Live-Dashboards werden dauerhaft auf großen Bildschirmen angezeigt, welche an verschiedenen Stellen in der Werkhalle angebracht sind.

Live-Dashboards unterscheiden sich in ihren Eigenschaften erheblich von den beiden zuvor beschriebenen Methoden zur Prozessüberwachung.

So können Bildschirme unabhängig von der Lage der Fertigungsanlage an beliebigen Orten im Werk angebracht werden. Es ist also möglich, die Dashboards gezielt so zu platzieren, dass eine hohe Sichtbarkeit für möglichst viele Personen erreicht wird. Dadurch können Anlagen-Bedienerinnen und Bediener den Prozess im Auge behalten, auch wenn sie gerade an anderer Stelle im Werk gebraucht werden.

Weiterhin können Diagramme und Farbgebung die Prozessdaten leicht interpretierbar machen. Wenn beispielsweise auf einer Anzeige eine Drehzahl von 25 U/min zu sehen ist, werden nur direkt in den Prozess involvierte Personen beurteilen können, ob diese 25 U/min gut oder schlecht sind. Bei einer angezeigten Drehzahl von 25 U/min, die rot blinkt, weil ein hinterlegter Grenzwert unterschritten wurde, versteht auch ein Laie, dass ein Eingreifen in den Prozess nötig ist.

Live Dashboards ermöglichen also die gleichzeitige Überwachung einer größeren Anzahl an Prozessgrößen durch eine größere Anzahl an Personen. Damit kann bei Störungen die Reaktionszeit bis zum Ergreifen von Gegenmaßnahmen drastisch reduziert werden.

Allerdings gibt es auch Herausforderungen bei der Prozessüberwachung mit Live-Dashboards. Die Einrichtung von Live-Dashboards ist bisher oft mit einem hohem IT-Aufwand verbunden. Prozessdaten verschiedener Anlagenteile (und somit verschiedener Hersteller) müssen automatisiert erfasst und in Echtzeit einem geeigneten Visualisierungs-Tool bereitgestellt werden. Zudem müssen die Dashboards gestaltet und auf TV-Bildschirme gebracht werden, um die gewünschte Sichtbarkeit zu erzielen.

Bisher ist es häufig so, dass solche Dashboards in produzierenden Unternehmen aufgrund der Komplexität der damit verbundenen Aufbauprozesse entweder durch die IT-Abteilung oder durch externen Dienstleister gestaltet werden. Auch spätere Anpassungen können in diesen Fällen nur durch diese umgesetzt werden.

Das ist deshalb problematisch, weil die Einbindung interner oder externer IT-Abteilungen den Aufwand und somit die Kosten für die Einführung und Unterhaltung von Live-Dashboards nach oben treibt. Dadurch, dass die interne oder externe IT die Dashboards gestalten, jedoch nicht selbst verwenden, müssen die Gestaltung und spätere Anpassungen in oftmals langwierigen Iterations-Zyklen zwischen Fertigung und IT erarbeitet werden.

Welche Methode ist nun die beste?

Im Vergleich zu Live-Dashboards haben alle vorher genannten Methoden zur Prozessüberwachung die Eigenschaft, dass sie meist bereits an der Anlage installiert sind und durch sie eine Überwachung des Fertigungsprozesses ohnehin bereits möglich ist.

Die Frage, die sich hier stellt, ist also nicht, ob nun besser Live-Dashboards auf TV-Bildschirmen oder die anderen vorgestellten Anzeigen zur Prozessüberwachung verwendet werden sollten. Es geht viel mehr um die Frage, ob zusätzlich zu den bestehenden Systemen Live-Dashboards eingesetzt werden sollen.

Betrachtet man die klaren Vorteile der erhöhten Sichtbarkeit und damit verkürzten Reaktionszeit und der flexiblen Anpassungsmöglichkeiten, kann die Frage klar mit “Ja, ich hätte meine Live-Dashboards gerne noch heute!” beantwortet werden. Voraussetzung ist jedoch, dass die vorher genannten Herausforderungen gemeistert werden.

Für einen erfolgreichen Einsatz von Live-Dashboards werden also zwei Dinge benötigt:

  • Eine Infrastruktur, die dazu in der Lage ist, Daten aus verschiedenen Anlagenteilen verschiedener Hersteller in Echtzeit bereitzustellen.

  • Ein Visualisierungs-Tool, mit dem sich ohne große Vorkenntnisse und ohne großen IT-Aufwand Dashboards gestalten und in der Werkhalle anzeigen lassen.

Unsere Lösung: Live-Dashboards mit der ENLYZE Plattform und Grafana

Bei ENLYZE kombinieren wir unsere Datenplattform mit der Visualisierungs-Software Grafana zu einer Komplettlösung zur Erstellung von Live-Dashboards. Unsere Edge Devices lesen Prozessdaten direkt aus den Maschinen-Steuerungen und Peripheriegeräten aus und senden sie über eine gesicherte VPN-Verbindung an die ENLYZE Cloud. Dort werden Sie mit Kontextinformationen wie Bezeichnungen oder physikalischen Einheiten angereichert. Die Cloud stellt die angereicherten Daten in Echtzeit-Tools wie hier z.B. Grafana zur Verfügung.

Grafana ist ein webbasiertes Tool, für das keine zusätzliche Software auf Firmenrechnern installiert werden muss, denn die Dashboards werden direkt im Webbrowser gebaut. Um ein in Grafana erstelltes Dashboard auf die Bildschirme in der Werkhalle zu bringen, werden lediglich handelsübliche Fernseher mit Internetzugang benötigt.

Sobald die relevanten Maschinen in die ENLYZE-Plattform integriert sind, können Dashboards beliebig in der Grafana Benutzeroberfläche gestaltet werden. Diese ist so intuitiv bedienbar, dass keine großen Vorkenntnisse nötig sind, um eigene Dashboards zu erstellen.

Wie in der Abbildung illustriert, können die zu überwachenden Prozessgrößen, die Art der Visualisierung oder Grenzwerte über einfache Dropdown-Menüs und Textfelder festgelegt werden. Wenn das Dashboard fertig ist, wird es gespeichert und kann nach Eingabe von Login-Daten über beliebige Web-Browser aufgerufen werden.

Praxisbeispiele: Live-Dashboards für unterschiedliche Nutzergruppen

Durch die einfache Bedienbarkeit von Grafana und die unkomplizierte Verteilung über Webbrowser ermöglichen es, dass Live-Dashboards in der Fertigung eingesetzt werden können, ohne dass die Werks-IT nach dem initialen Setup eingebunden werden muss. Das bedeutet, dass Dashboards durch die Personen gestaltet und angepasst werden können, die diese tatsächlich zur Prozessüberwachung verwenden.

Außerdem können individuelle Dashboards für unterschiedliche Personengruppen erstellt werden, die nur die für sie relevanten Prozessinformationen visualisieren. Nachfolgend geben wir Ihnen zwei Praxisbeispiele für solche individuellen Dashboards.

Beispiel 1: Dashboard für Anlagenbediener/Schichtleiter

Die Aufgabe der Überwachung eines Fertigungsprozesses fällt in erster Linie den Mitarbeitern zu, die die Anlage bedienen und damit den Prozess direkt steuern. Ein Dashboard, das sie bei dieser Aufgabe unterstützen soll, beantwortet auf einen Blick typische Fragen, wie:

  • Befinden sich kritische Parameter im Toleranzbereich?

  • Sind die verschiedenen Anlagenteile korrekt eingestellt?

Das unten abgebildete Dashboard für einen beispielhaften Extrusionsprozess verdeutlicht die Stärken von Live-Dashboards. Die Daten mehrerer Anlagenteile, hier von drei Extrudern, deren jeweils vier Dosierern, sowie einem Aufwickler am Ende des Prozesses sind auf einen Blick erkennbar.

Auch ohne Kenntnisse über die genauen Prozessspezifikationen oder gar über Extrusionsprozesse allgemein erkennen wir, dass es möglicherweise ein Problem an Extruder C gibt, denn es gibt hier rot eingefärbte Prozesswerte. In der Praxis würde also entweder der Anlagenbediener selbst die Unregelmäßigkeit erkennen, oder er oder sie wird durch andere Personen benachrichtigt, die auf das Dashboard schauen.

Das Balkendiagramm unten im Dashboard zeigt das jeweilige Gesamtgewicht der letzten produzierten Rollen an. Das Gewicht wird automatisch aus den Extruder-Durchsätzen und der aktuellen Wickellänge des Aufwicklers berechnet. Solche und andere komplexere Berechnungen können direkt in Grafana implementiert werden.

Beispiel 2: Bereichsübergreifende Produktivität für das Management

Im Gegensatz zu Anlagen-Bedienerinnen und Bedienern sind Personen in Managementpositionen meist mehr an der Produktivität ganzer Fertigungsbereiche interessiert, als an den Prozessgrößen einzelner Anlagenteile. Typische Fragen des Werks-Managements, die Live-Dashboards beantworten können, sind:

  • Laufen alle Anlagen? Wie effektiv produziert mein Bereich gerade?

  • Wird der zeitkritische Auftrag xyz bereits gefertigt?

  • Gab es Stillstände, während ich in der Nachschicht nicht anwesend war?

Im Dashboard unten werden für jede der vier Anlagen eines Fertigungsbereiches Informationen zur Produktivität der Anlage bereitgestellt. Die Bezeichnung des aktuell gefertigten Produktes stammt aus dem ERP oder BDE-System des Unternehmens, welches wie die Anlagen-Steuerung über ein Edge-Device an die ENLYZE Plattform angebunden ist.

Die Leistungsparameter Durchsatz und Liniengeschwindigkeit stammen aus der Anlagen-Steuerung und wurden mit Grenzwerten versehen, die durch Farbmarkierungen bewerten, ob eine bestimmte Geschwindigkeit einem hohen oder niedrigen Leistungsgrad entspricht. Die in der rechten Spalte angezeigten Stillstandszeiten werden automatisch aus den Zeitreihendaten der Liniengeschwindigkeit berechnet. Als Stillstand werden alle Zeitintervalle klassifiziert, an denen die Liniengeschwindigkeit einen bestimmten Schwellwert unterschreitet.

Im Falle von Mitarbeitenden mit Planungs- oder Managementaufgaben ist es von Vorteil, dass Grafana-Dashboards über Webbrowser aufgerufen werden können. So können Sie direkt von ihrem Büro aus verfolgen, was gerade in der Fertigung los ist, ohne selbst in die Fertigung zu gehen oder auf wöchentliche Reportings warten zu müssen.

Fazit

Live-Dashboards sind aufgrund ihrer Fähigkeit, Betrachtern Informationen aus verschiedenen Quellen auf einen Blick bereitzustellen hervorragend zur Überwachung moderner Fertigungsprozesse geeignet. Sie können bereits bestehende Anzeigen ergänzen und durch eigene Berechnungen in Echtzeit neue Prozessinformationen verfügbar machen.